Steakhäuser in New York – Ich will ein Rind von Dir

Protein-Rausch am Broadway: Nirgends wird das Verzehren von Steaks so zelebriert wie in New York. Im Kult-Restaurant Peter Luger reift das Fleisch wochenlang in der Kühlkammer, bevor es von schrulligen Kellnern als Tischfeuerwerk serviert wird. Ein Besuch.

Die Holztür schwingt auf, der Gast macht einen Schritt vom Broadway ins Innere des Backsteinhauses -- und findet sich mitten auf einer Showbühne wieder. Zunächst ist da Tom, ein Mann mit einem Schnurrbart in Hufeisenform und der Autorität eines Walrosses. Er fragt nach dem Namen jedes Gasts und überprüft in seinem Buch, ob er Einlass gewähren kann. An der Bar drängen sich Menschen. Ein Bankertyp im Anzug lacht etwas zu laut für diese Krisenzeiten. Ein Künstler mit Samtjackett wird in ein Zimmer die Treppe hinaufbegleitet.

Zwei Eltern und ihre zwei Kinder trinken Cola und sehen aus, als hätten sie sich aus dem Disneyland hierher verlaufen. Und dann tänzelt Karl durch die Menschentraube, begleitet von einem Knistern und Dampfen, das vom Teller herrührt, den er über die Köpfe hinwegbalanciert. Dabei singt er mehr, als er rufen würde: “Hot, hot, hot.” Was sich im Steakhouse Peter Luger, 178 Broadway in Brooklyn abspielt, hat nur entfernt mit dem Leben draußen zu tun. Und trotzdem ist hier alles echt.

26-mal in Folge wurde das Lokal zum besten Steakhouse New Yorks gewählt, es hat einen Michelin-Stern, die 150 Plätze sind jeden Abend ausgebucht. Peter Luger ist eine Institution seit 1887, ein Gourmet-Restaurant mit der Anmutung einer Bierhalle, eine Konstante in einer Stadt, die sich ständig neu erfindet. Die Speisekarte besteht im Wesentlichen aus vier Gerichten: Steak für einen, zwei, drei oder vier. Die letzte große Neuerung liegt 30 Jahre zurück. Damals kam -- als Vorspeise -- gebratener Speck hinzu. Als Beilagen werden Spinat und Bratkartoffeln, die hier “German Potatoes” heißen, angeboten.

Koch Matthew hat den exakten Garpunkt im Blut

“Einfachheit zeichnet uns aus”, sagt Jody Storch, 40, eine zierliche Person mit braunem Pferdeschwanz und Fingern, die nicht vermuten lassen, dass sie im Metzger-Geschäft tätig sind. “Wir machen nicht auf Haute Cuisine, sondern sind geradeheraus und ehrlich.” Storch führt das Restaurant in dritter Generation. Ihr Großvater, Sol Forman, hatte es 1950 als einziger Bieter ersteigert, weil die Söhne von Peter Luger zumachen wollten und Forman sich um seine Ernährung sorgte.

Er besaß eine Eisenwarenfabrik gegenüber und aß mittags und abends bei den Lugers. Formans Frau Marsha engagierte einen pensionierten Fleischkontrolleur, der ihr beibrachte, gute von schlechter Ware zu unterscheiden. Seitdem ist der Fleischeinkauf bei Luger Frauensache. Jody erzählt die Geschichte im Chefbüro, das im alten Fabrikgebäude des Großvaters untergebracht ist: “Ich war mit acht oder neun zum ersten Mal auf dem Fleischmarkt und wurde sofort Vegetarier. Aber meine Familie hat mich schnell wieder hingekriegt.”

Über dem Schreibtisch hängt ein Foto, das Sol und Marsha Forman zeigt. Auf den Regalen stehen Pokale und Zierteller aus der längst eingestellten Industrieproduktion. Storchs Mutter, Marilyn Spiera, und ihre Tante, Amy Rubenstein, diskutieren am Besprechungstisch. Die beiden Damen engagieren sich noch immer Vollzeit im Management. Nebenan sitzen acht Mitarbeiter vor Papierstapeln und Taschenrechnern. “Meine Mutter hasst Computer”, erklärt Jody, “unsere Rechnungen sind alle handgeschrieben.” Steuerprüfer wird das nicht freuen.

In der Küche blitzt der Stahl von acht Hochleistungs-Gasgrills. Die Herstellung einer perfekten Rindfleischscheibe könnte zelebriert werden wie bei einem Sushi- Meister, der mit großer Geste rohen Fisch schneidet und auf ein Häuflein Reis legt. Stattdessen sagt Koch Matthew: “Für mich gibt es keine Herausforderung. Ich mache das seit 16 Jahren.” Er legt ein rund fünf Zentimeter dickes und knapp ein Kilo schweres Porterhouse-Steak auf einen Rost. Es ist für zwei Personen gedacht und kostet 90 Dollar.

Dann -- vor dem Grillen -- nimmt Matthew Salz aus einer Edelstahl-Kiste und streut es auf das Fleisch. Er schiebt den Rost in einen der Bräter. Die Heizstangen über dem Fleisch sind rund 800 Grad Celsius heiß. Es zischt, und das Steak bildet sofort eine Kruste. Kenner bestellen medium-rare, Matthew sagt, das dauere ungefähr fünf Minuten. Er hat den exakten Garpunkt im Blut. Nach Gefühl wendet er das Fleisch ein- oder zweimal. Dafür zieht er den Rost heraus und sticht mit einer 2-Zinken-Gabel in den Fettrand des Steaks.

 

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