Höchste Weinbar der USA – Erst Buckelpiste, dann Barolo

Auf 3600 Meter Höhe schmecken Pinot Grigio und Chardonnay noch mal so gut: Die höchste Weinbar Nordamerikas im Edel-Skigebiet Telluride gibt sich alle Mühe, Skifahrer von der Rückkehr auf die Piste abzuhalten. Befremdlich wirkt nur die bayrische Bierzeltmusik.

Der Alkohol und die Höhe, verträgt sich das überhaupt? “Wir mussten jedenfalls noch nie die Bergwacht holen”, beteuert Cathy Schwindt. Dann stellt sie einenflight auf den Tisch im Freien, drei verschiedene Weißweine. Sie trägt ein Dirndl und serviert auf 11.996 Fuß Höhe, also auf 3656 Meter. Das Alpino Vino im Skigebiet von Telluride ist die höchstgelegene Weinbar Nordamerikas, aber alles andere als ein Après-Ski-Treff. “Bei uns nippen die Skifahrer an einem Glas Wein, sie kommen nicht, um zu feiern und sich zu betrinken”, sagt Schwindt.

Probleme mit Betrunkenen habe es hier noch nie gegeben. Und das, obwohl der Wein auf der Höhe ganz schön knallt. Schon die drei leichten Weißweine aus Italien, ein Gavi, ein Vernaccia und ein Pinot Grigio, seien mit Vorsicht zu genießen, wenn man sich in den Pisten der Kategorie “Double Diamond Black”, den extraschweren Hängen, verausgabt hat. Ganz zu schweigen davon, was ein 2005er Barolo von Domenico Clerico anrichten kann. Der wird hier für 190 Dollar die Flasche ausgeschenkt.

Das Alpino Vino sieht aus wie eine ganz normale Alpen-Skihütte. Aber für ein amerikanisches Wintersportgebiet ist das alles andere als normal. “In Europa gab es lange schon Dörfer in der Höhe, dann erst entstanden Skigebiete, bei uns ist das anders herum.” Der Skiort Mountain Village wurde erst in den siebziger Jahren für Skifahrer gebaut, der Talort Telluride entstand im 19. Jahrhundert, als in den San Juan Mountains Silber gefunden wurde. “Hier gab es keine Almen, keine Weiden, deshalb keine Häuser, keine Hütten, keine Scheunen. Die Gegend war nie bewohnt, auch die Ute-Indianer zogen nur durch.” Wer sollte sich auch auf über 3000 Meter Höhe niederlassen, mit acht Monaten Winter im Jahr. Wer, wenn nicht Skifahrer.

Von Hasenbergl nach Colorado

Das kleine Steinhaus mitten im heutigen Skigebiet wurde 1980 gebaut, Privatleute aus Telluride hatten einen mining claim gekauft. Mining claim, das klingt nach Goldrausch und Jack London, aber so heißen hier noch immer die Grundstücke. Viel Zeit verbrachte die Familie nicht hier oben, es ist zu kalt, es gibt zu viel Schnee. Aber Ulli Sir Jesse liebt die Region: “Ach, im Alpino Vino wart ihr.” Da habe sie früher manchmal übernachtet, sich gefühlt wie mitten im Sternenhimmel.

Die 60-Jährige ist in Nürnberg aufgewachsen, was deutlich zu hören ist. Auch wenn die ehemalige Lehrerin schon vor über 20 Jahren von der Gesamtschule im Münchner Hasenbergl in die Wildnis Colorados geflüchtet war. Hier gibt sie Klavierunterricht und führt Gäste auf Schneeschuhen durch den Wald.

Auf der Sonnenterrasse spiegelt sich die Wilson Range in den Weißweingläsern. Würde man Flaschenbier bestellen, hätte man das Panorama verdoppelt. Nicht wegen des Alkoholkonsums -- die Gebirgskette ziert das Coors-Etikett. Die Schneeberge blitzen um die Wette mit den strahlend weiß gebleichten Zähnen der Gäste. In diesem abgelegenen Skigebiet fahren fast nur Amerikaner. Die wenigen Europäer lockt der Champagne Powder an, der unglaublich leichte und trockene Schnee, der auch an einem sonnigen Tag nie pappt.

Doch auch für die Amis dürfte Telluride exotisch sein. Das denkmalgeschützte Bergarbeiter-Städtchen sieht immer noch beinahe so aus wie zu Zeiten des Schwerverbrechers Butch Cassidy, der hier seine erste Bank überfiel, worauf sie hier heute irgendwie stolz sind. Nur hört man nun statt Pferdegetrappel das tiefe Brummen der SUVs.

Hinter den Western-Fassaden hat keine einzige Filiale eines Schnellrestaurants Unterschlupf gefunden. Kein McDonald’s, kein Burger King, nicht mal Starbucks gibt es hier, das soll Amerika sein? Feine Burger brät der Floradora Saloon, den XL-Cappuccino servieren lokale Coffee-Shops. Prächtige Wapitihirsch-Steaks füllen die Teller im Allred’s an der Mittelstation. Zu diesem gehört auch das Alpino Vino, wie hier einfach alles zusammengehört, da alle Restaurants am Berg von der Liftgesellschaft betrieben werden.

 

Den kompletten Artikel gibt es bei Spiegel Online

Schreibe einen Kommentar